Eine eigene Welt
Die Osterfestspiele Salzburg 2017 stehen ganz im Zeichen der sogenannten Re-Kreation der Walküre-Produktion von 1967. Dieses Opernprojekt ermöglicht gleichsam einen Blick zurück auf die Gründungszeit der Osterfestspiele, indem uns die damalige Bühnenästhetik, die der legendäre Bühnenbildner und Lichtdesigner Günther Schneider-Siemssen für Herbert von Karajan entworfen hat, wiederbegegnet. Das Aufeinandertreffen von Gegenwart und Vergangenheit birgt Potenzial für spannende Fragestellungen, zumal nicht Karajans Inszenierung von 1967 wiederbelebt wird, sondern die Regisseurin Vera Nemirova im rekonstruierten Bühnenbild eine Neuinszenierung vornehmen wird. Der Bühnen- und Kostümbildner Jens Kilian, ein langjähriger künstlerischer Weggefährte von Vera Nemirova, zeichnet für die Rekonstruktion des Bühnenbilds von 1967 verantwortlich und außerdem für die Hinzufügung einer weiteren Ebene aus der heutigen Zeit: Er gestaltete neue Kostüme für diese Produktion. Wie er sich der Aufgabe, ein 50 Jahre altes Bühnendesign nachzubauen, näherte, und wovon er sich für die Kostümdesigns inspirieren ließ, schildert er im Gespräch.
Was bedeutet es für Sie, die Walküre-Bühne von 1967 nach- und zugleich neu zu bauen?
Es war zunächst eine große Herausforderung, auf Spurensuche zu gehen und herauszufinden, was damals die Motivation Günther Schneider-Siemssens und Herbert von Karajans war und wie sie einen Ansatz gefunden haben, um ihre Ideen und Visionen auf der Bühne umzusetzen. Man muss dabei die Ehrfurcht ein bisschen zur Seite legen, muss aufspüren, wie alles gemeint war. Es ging nicht darum, etwas neu zu bauen, sondern dem Entwurf von Herrn Schneider-Siemssen so nah wie möglich zu kommen und dann eine eigene Interpretation dafür finden. Wir nahmen das Original bzw. was in den Archiven vorhanden war, nämlich Zeichnungen und Skizzen; die Dekoration gab es nicht mehr. Und dann sind wir auf die Suche gegangen um zu erkunden, wie das damals alles funktioniert hat, wie das Licht gestaltet war, wie die Umbauten abliefen, welche Atmosphäre entstanden war. Das ist natürlich eine spannende Geschichte. Man kommt sich dabei ein bisschen vor wie ein Archäologe, der etwas freilegt und sukzessive immer mehr entdeckt. Beispielsweise haben wir auch Skizzen von Ideen gefunden, die damals auf der Bühne nicht umgesetzt werden konnten. Wir glauben, dass es sich um Dinge handelt, die technisch noch nicht möglich waren: etwa Projektionstechniken, die wir heute einsetzen können und die damals noch nicht existent waren.
Wie beurteilen Sie die Walküre-Produktion von 1967 in ihrem damaligen Kontext?
Ich denke, dass es eine Sehnsuchtswelt ist, die von Schneider-Siemssen und Karajan damals entworfen wurde – als Modell dafür, sich zu besinnen, einen Schritt zurückzugehen und herauszufinden, was hinter dem Werk, das Wagner geschaffen hat, als Essenz steckt. Somit stand die Walküre damals im deutlichen Kontrast zu dem, was in der Welt rundum geschah: Pop Art, Hippiebewegung, Vietnamkrieg und so weiter. Die Inszenierung griff auf Archaik, Natur, Mythen zurück. Ein etwa 1.500 Jahre alter Mammutbaum stand wohl für den Ersten Aufzug Pate. Die Backgrounds sind sehr atmosphärisch und erinnern an den Beginn bzw. die Entstehung der Welt. Ich glaube, es ging dabei um die Suche nach dem Sinn, inmitten der Wirren und Unruhen und des Umbruchs.
Wir wollen mit dieser Walküre-Re-Kreation zunächst eine Zeitreise machen. Wir leben im Jetzt und sehen ein Bühnenbild, das 50 Jahre alt ist. Das ist zunächst eine Reminiszenz an Günther Schneider-Siemssen, wir haben gleichsam Archivmaterial vor uns. Dann müssen wir sehen, wie wir den Bezug zur Gegenwart herstellen und einen Sprung von heute in die damalige Zeit schaffen können. Die heutigen Reaktionen auf die erwähnten Serien bzw. Filme und auf Sagengeschichten etc. zeigen, dass der Wunsch nach wie vor existent ist, mit diesen Themen umzugehen, sich eine andere Welt der Sagen und Götter und Mythen zu erschaffen – im Gegensatz zur realen.
Wie setzen Sie die Rekonstruktion des Bühnenbilds technisch um? Die Oper und die Technik haben sich seit 1967 ja enorm weiterentwickelt.
Wir versuchen, jene Dinge, die früher schwierig umzusetzen waren, heute mit neuen Technologien einfacher zu realisieren. Wir werden etwa Hubpodien einsetzen, und nicht mehr manuell bewegte. Hubpodien gab es zwar damals auch schon, aber ihr Einsatz war sehr aufwändig. Und wir werden die Projektionen, die damals mit gemalten Farbscheiben erzeugt wurden, auf Basis der originalen Entwürfe mit heutiger Technik wiederbeleben und weiterentwickeln, etwa versuchen, Bewegung hineinzubekommen: Es wird auch Video dazukommen. – Stets vorsichtig natürlich, denn wir machen ja keinen Science-Fiction-Film, sondern es geschieht alles „im Sinne des Erfinders“.
Welche Inspirationsquelle bildet für Sie die Musik? Sie kennen Wagner ja sehr gut durch ihre bisherige Arbeit für die Bühne.
Ja, ich habe unter anderem den gesamten Ring mit Vera Nemirova gemeinsam in Frankfurt gemacht und auch schon drei Mal Parsifal. Da könnte man denken, dass man irgendwann nun den absoluten Eingang gefunden hat. Aber jedes Mal, wenn ich Parsifal wieder neu höre, entdecke ich neue Dinge. Das hängt auch damit zusammen, dass man, je älter man wird, um so mehr Einflüssen unterliegt und auch eher weiß, was man nicht will. So verändert sich das Hören ständig. Wagner ist für mich wie eine musikalische Droge: Man hebt ab und geht in eine andere Welt hinein. Auch der Text verändert sich ständig in seinem Verhältnis zur Musik. Man erhält stets neue Blickwinkel, neue Inspiration und neuen Zugang.
Das Interview führten Hannes M. Schalle und Martin Riegler
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